Nachtvorlesung
Einladung zur kommenden Nachtvorlesung am 06.06.2023 um 18 Uhr im Lensing Carée-Conference Center, Silberstr. 21, 44137 Dortmund.
Eingeschränktes Seh- und Hörvermögen, nachlassende Beweglichkeit – alterstypischen Veränderungen bereiten Senioren am Steuer Probleme. Oft werden die Schwierigkeiten durch ein vorsichtigeres Fahrverhalten zunächst einmal kompensiert. Doch irgendwann ist es an der Zeit, nicht länger hinterm Lenkrad Platz zu nehmen. Dr. Johannes Wunderlich, Chefarzt der Geriatrie im St. Elisabeth Krankenhaus in Kurl, erklärt, warum es wann gefährlich wird im Straßenverkehr.
Ein zentrales Problem: Die Betroffenen selbst nehmen körperliche Beeinträchtigungen nicht angemessen wahr. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass man älter wird und mit dem Autofahren auch ein Stück Selbstständigkeit aufgibt. Mahnende Worte von Angehörigen finden kaum Gehör. Das Gespräch mit dem Arzt wird aufgeschoben oder nur widerwillig geführt. „Meinen Lappen gebe ich nicht ab“, so lautet der Satz, den Dr. Wunderlich häufig von seinen Patienten hört.
Dabei reicht ein Blick in die Statistik, um zu sehen, wie es um die Fahreignung mit zunehmendem Alter bestellt ist. Zwar sind es die 18- bis 24-Jährigen, die mit Abstand die meisten Unfälle verursachen. Aber ältere an Unfällen beteiligte Menschen sind weitaus häufiger Hauptverursacher des Geschehens und gehören dann zu den Schwerstverletzten und Todesopfern. Für Dr. Wunderlich sind vor allem ein allgemein verlangsamtes Reaktionsvermögen, ein eingeengtes Blick- und Beobachtungsfeldfeld sowie Erkrankungen und die damit verbundene Medikamenteneinnahme Risikofaktoren.
„Bereits bei einem 60-Jährigen ist die Reaktionszeit doppelt so lang wie bei einem 20-Jährigen. Das erschwert es natürlich, komplexe Situationen zu meistern, in denen viele Reize auf den Autofahrer einwirken“, gibt der Chefarzt ein Beispiel. Auch hier liefert die Statistik Zahlen: 65 Prozent aller Unfälle mit Senioren geschehen an Kreuzungen. Ähnlich bergab geht es im Alter mit unseren Augen. Senioren verfügen im Durchschnitt noch über drei Viertel der Sehschärfe eines jungen Menschen. Ältere reagieren zudem um ein Vielfaches empfindlicher auf Blendung. Sehen sie direkt ins Scheinwerferlicht, können sie sich sekundenlang im Blindflug befinden. Hinzu kommen Rückenprobleme, Nackensteifheit und Co. Da fällt nicht nur der wichtige Schulterblick schwer.
Doch während Brille, Hörgerät, Erfahrung und angepasste Fahrweise so manches Defizit bis zu einem gewissen Grad ausgleichen können, bedeutet die Einnahme von Medikamenten eine Gefahr, die nicht hoch genug einzuschätzen ist, betont Dr. Wunderlich. Durchschnittlich drei Arzneimittel nimmt jeder Mensch ab 60 Jahren regelmäßig ein, dazu häufig noch frei verkäufliche Wirkstoffe. Dabei gibt es Medikamente, die die Fahrtüchtigkeit überhaupt erst ermöglichen, zum Beispiel bei Diabetikern. Aber rund 15 bis 20 Prozent aller zugelassenen Medikamente können nach Angaben ihrer Hersteller die Fähigkeit, ein Auto zu steuern, beeinträchtigen. Besonders Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Blutdrucksenker und Antidepressiva machen müde und setzen die Aufmerksamkeit herab. Kommt Alkohol dazu, ist Autofahren sowieso tabu. „Unbedingt die eigenen Medikamente mit dem Arzt auf Fahrtüchtigkeit überprüfen“, mahnt Dr. Wunderlich. „Und wenn nötig den Lappen eben doch abgeben – sich selbst und anderen zuliebe.“